Menschen.Rechte: Gesundheit
Menschen.Rechte: Hörbericht vom 8.5.2019
Die Fürst Donnersmarck-Stiftung und die Berliner Landeszentrale für politische Bildung hatten zur dritten Ausgabe der Veranstaltungsreihe „Menschen.Rechte. Wie die UN-Behindertenrechtskonvention die Gesellschaft verändert“ eingeladen. Moderiert von Gerlinde Bendzuck, Landesvereinigung Selbsthilfe Berlin e. V., befasste sich die Diskussion am 8. Mai 2019 in der Villa Donnersmarck mit dem Thema „Gesundheit“ (Artikel 25 der UN-Behindertenrechtskonvention, kurz: UN-BRK). Hören Sie einen Beitrag von Klaus Fechner. (reichweiten.net)
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Transkription zum Mitlesen
Seit 10 Jahren ist die UN-Behindertenrechtskonvention geltendes Recht in Deutschland. Aus diesem Anlass fragt die Fürst Donnersmarck-Stiftung in Zusammenarbeit mit der Berliner Landeszentrale für politische Bildung in einer fünfteiligen Veranstaltungsreihe, was sich seitdem für Menschen mit Behinderung verändert hat. Nach den Themen Bildung und politische Teilhabe ging es am 8. Mai 2019 in der Villa Donnersmarck um den Schwerpunkt Gesundheit.
Moderiert wurde der Abend von Gerlinde Bendzuck, sie ist Vorsitzende der Landesvereinigung Selbsthilfe Berlin. Sie beschreibt zur Einleitung ihre eigenen Erfahrungen:
Mein persönlicher Alltag ist dadurch geprägt, dass ich als normale Rollstuhlfahrerin hier in Berlin wirklich Schwierigkeiten habe, Zugang zu Ärzten zu finden, weil ich noch nicht einmal weiß, welche Praxen barrierefrei sind. Ich muss mir mühsam zusammensuchen, wo könnte ich vielleicht reinkommen und wer kann mich mit meiner Behinderung adäquat behandeln und wo finde ich Service-Personal, das mich dabei unterstützt. Ganz zu schweigen von der Frage, wie komme ich dort barrierefrei hin.
Obwohl die UN-Behindertenrechtskonvention seit 10 Jahren das Recht von Menschen mit Behinderung auf eine adäquate Gesundheitsversorgung garantiert, bestehen noch viele praktische Hürden.
Es fehlen Angebote
Ein Beispiel beschreibt Christiane Möller, sie ist Justiziarin beim Deutschen Blinden- und Sehbehindertenverband.
Sowohl im Gesundheitsbereich als auch im Reha-Bereich fehlen die Angebote oft in Einrichtungen, um auf Menschen mit Behinderung eingehen zu können. Auch Menschen mit ganz unterschiedlichen Behinderungen. Reha ist ganz oft mit Gruppentherapie verbunden. Es ist aber nicht leicht, wenn man nicht richtig sehen kann und dann in ein Schwimmbecken soll und dann turnt dort jemand etwas vor, was man für Wassergymnastik machen soll. Man kann da aber gar nicht mitmachen, weil man gar nicht sieht, was dort passiert. Dann ist in den Reha-Einrichtungen oft beim Personal die Kenntnis gar nicht vorhanden sich darauf einstellen zu können und damit umgehen zu können.
Allerdings hat sich in den vergangenen Jahren auch viel verändert. So sind beispielsweise an mehreren Orten hochspezialisierte Einrichtungen entstanden, die Menschen mit seltenen Einschränkungen unterstützen. Ein Beispiel dafür ist das P.A.N. Zentrum der Fürst Donnersmarck-Stiftung.
"Fördern und Fordern"
Dort werden Menschen mit erworbenen Schädel-Hirn-Verletzungen nach dem Aufenthalt in einer Klinik weitere Entwicklungsmöglichkeiten geboten, wie der Leiter Prof. Stephan Bamborschke beschreibt.
Wir haben die Therapien, die auch in der Rehaklinik da sind. Wir haben aber keine Krankenstationen, sondern wir haben Wohnbereiche, wo die Menschen eine Art Privatheit haben. Wo sie in einem sehr schönen privaten Ambiente die Patientenrolle ablegen. Sie werden betreut von Neuropädagogen, die geschult sind in den Bedürfnissen aber auch im Fördern und Fordern. Dieses Zusammenspiel ermöglicht dann einen weiteren Schritt zu gehen nach dem Patientendasein in der Klinik und ein Stück voran zu kommen.
Deutschlandweit kommen lediglich nur etwa 3.000 Personen für einen Aufenthalt im P.A.N. Zentrum mit seinen insgesamt 66 Plätzen in Frage. Allerdings kommt die dort geleistete Arbeit auch einem größeren Kreis von Menschen mit Einschränkungen zugute. Durch begleitende Forschung können Therapien oder Geräte evaluiert werden und anschließend in anderen Kontexten Verwendung finden, erklärt Bamborschke.
Was wir aktuell machen ist, dass wir die Ergebnisse und Messwerte sammeln und erfassen. Und wir haben zwei, drei Projekte, wo wir bestimmte Einzelmethoden testen, ob die noch stärker zum Beispiel die Arm-Rehabilitation oder die kognitiven Möglichkeiten verbessern. Wenn dann die Ergebnisse da sind und publiziert werden, dann dauert das eine ganze Weile bis sich das niederschlägt. Gut wäre, wenn für eine bestimmte Methode in einer Studie die Wirksamkeit nachgewiesen wurde, dass man dann die Kassen bewegen kann das als Leistung zu bezahlen. Das dauert aber sehr lange.
Kompetenzen in der Behandlung von Menschen mit Behinderung
Spezialisten unterstützen so die Regelversorgung. Ähnliche Erfahrungen hat Dr. Georg Poppele gemacht. Er war lange Ärztlicher Leiter am MZEB am Evangelischen Krankenhaus Alsterdorf, dem Medizinischen Zentrum für erwachsene Menschen mit geistiger oder mehrfacher Behinderung. Aus seiner Sicht können spezialisierte Zentren wie dieses nur mit einem guten Netzwerk innerhalb der Regelversorgung erfolgreich arbeiten.
Wenn man von spezialisierten Zentren redet, dann denkt man, die decken alles ab und die machen alles. Das wäre komplett falsch, weil es beides sein muss. Die Regelversorgung, also der Hausarzt, die Hausärztin, die Fachärztin, die Therapeuten vor Ort müssen sich weiterentwickeln, müssen gestärkt werden. Wir brauchen spezialisierte Angebote aber wir brauchen auch eine starke Regelversorgung.
Poppele kritisiert außerdem die Ausbildung von Medizinern und Therapeuten im Hinblick auf Kenntnisse und Kompetenzen in der Behandlung von Menschen mit Behinderung.
Bei praktisch allen medizinischen und therapeutischen Berufen ist das in der Ausbildung und in der Weiterbildung nicht drin. Das einzige war bei den Psychiatern. Es ist ein Erfolg, dass jetzt sich jetzt die Bundesärztekammer dem angeschlossen hat und für alle Ärzte in der Weiterbildung und die Fachärzte werden wollen, dass das ein Thema ist. Im Studium gibt es in Deutschland ganz wenig Stellen, wo das überhaupt angeboten wird. Und wenn dann freiwillig. Im Studium sollte das verankert werden.
Neben notwendigen Verbesserungen in der Ausbildung fordert Christiane Möller auch ein Umdenken, ein anderes Bewusstsein in allen gesellschaftlichen Bereichen. Besonders aber bei den Krankenkassen, der Kassenärztlichen Vereinigungen und der Politik.
Um einen diskriminierungsfreien Zugang zu der Sozialleistung Gesundheitsleistung zu ermöglichen, müssen die Verträge beziehungsweise die Regelungen vorsehen, dass derjenige, der Kassenarzt ist genau solche Dinge wie barrierefreies Mobiliar berücksichtigen müsste. Die Widerstände sind groß. Teilweise wird gesagt, dass es an den Kosten liegt. Ich sehe das so, dass wir hier ein deutliches Mehr an Unterstützung aus der Politik brauchen.
Christiane Möller sieht nach 10 Jahren Behindertenrechtskonvention zwar einen positiven Wandel im gesellschaftspolitischen Auftreten von Menschen mit Behinderung. Es gebe aber nach wie vor viele Hürden für Menschen mit Behinderung. Deshalb fordert sie eine stärkere Vernetzung der verschiedenen Verbände, um besser politischen Druck ausüben zu können. Nur mit einer Bündelung der Kräfte sei es möglich, die Vorgaben der UN-Behindertenrechtskonvention im Alltag umzusetzen.
Die nächste Veranstaltung der Reihe „Menschen.Rechte. Wie die UN-Behindertenrechtskonvention die Gesellschaft verändert“ findet am 11. September 2019 statt. Dann dreht es sich in der Villa Donnersmarck um den Schwerpunkt „Arbeit“, der in Artikel 27 der Konvention behandelt wird.