Martin Marquard
5 Fragen zum Europäischen Jahr der Menschen mit Behinderung
beantwortet von Martin Marquard,
Landesbeauftragter für Behinderte Berlin
Berlin 26.11.2003
1. Was waren die Höhepunkte des EJMB 2003 in Deutschland?

2. Wie lautet Ihrer Meinung nach die Kernbotschaft, das Hauptergebnis am Ende des Jahres 2003?
Die Kernbotschaft für mich heißt: Gesetze allein reichen nicht aus - sie müssen auch mit Leben erfüllt und umgesetzt werden!
Nach einer jahrelangen Phase der intensiven Diskussion und
Auseinandersetzung um Gleichstellung, Rehabilitations- sowie
Schwerbehindertenrecht und nach der mit hohen Erwartungen verbundenen
Verabschiedung des SGB IX und des Bundesgleichstellungsgesetzes erleben
wir nun die "Mühen der Ebene", und es zeigt sich, dass die
Implementierung eines Gesetzes eine sehr lange Zeit braucht und sehr
viel Kraft kostet. Weder das SGB IX noch das
Bundesgleichstellungsgesetz haben bisher auch nur ansatzweise die
bezweckte und erwünschte Wirkung erzielt.
Zugleich muss das Berliner Landesgleichberechtigungsgesetz, das bereits seit 1999 existiert und in einigen Teilbereichen inzwischen nachhaltige Veränderungen bewirkt, gegen Anfeindungen verteidigt und abgesichert werden. Weitere brennende Themen waren und sind die Verabschiedung von weiteren Landesgleichstellungsgesetzen - immerhin sind im EJMB 2003 vier Landesgesetze in Kraft getreten -, die Aufnahme der Menschen mit Behinderung in ein zivilrechtliches Antidiskriminierungsgesetz und die Diskussion um ein Leistungs- bzw. Assistenzgesetz (Stichwort: Persönliches Budget).
3. Wie erfolgreich war das EJMB 2003?
Es ist sicher gelungen, durch die Vielzahl von vor allem lokalen Aktionen und Veranstaltungen eine wirklich breite Öffentlichkeit zu erreichen. Insbesondere konnte der Begriff "Barrierefreiheit" in seiner umfassenden Bedeutung für alle Behinderungsbereiche und alle Lebenssituationen im öffentlichen Bewusstsein stärker verankert werden. So haben auch Organisationen oder Betriebe, von denen man es nicht unbedingt erwartet hätte, ihren Beitrag zum EJMB geleistet, wie z.B. eine Vereinigung der Bauwirtschaft mit einer Veranstaltung zum barrierefreien Wohnungsbau oder die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) mit einer an die mobilitätsbehinderten Menschen gerichteten Info-Kampagne zur Nutzung der bereits schon jetzt barrierefreien Teile des öffentlichen Personennahverkehrs. Hervorzuheben ist die z.T. sehr engagierte Berichterstattung zum EJMB in den Medien.
Weniger erfolgreich war das EJMB auf der Politikebene: Wie schon angedeutet, herrscht in der Gleichstellungsdiskussion Stillstand, verzeichnen wir in der Frage des Antidiskriminierungsgesetzes Rückschritte und müssen wir ausgerechnet zum Ende des EJMB erneut eine gefährliche Debatte über eine mögliche Relativierung der Menschenwürde und eine Lockerung des Embryonenschutzes erleben - angestoßen von der Bundesregierung.
4. Das EJMB 2003 richtete sich ja an alle EU-Bürger. Inwieweit hat sich durch das EJMB 2003 auch etwas für die Menschen mit Behinderung in Europa geändert?
5. Welche Ergebnisse und längerfristigen Wirkungen werden wir aus dem Jahr 2003 in die Zukunft mitnehmen?
TAG: Vielen Dank!